Freitag, 25. bis Sonntag, 27. August 2023
Nachdem die Teilnehmer an verschiedenen Bahnhöfen eingestiegen waren, haben wir uns am Bahnhof St. Gallen getroffen. Einigermassen im Schnellzugstempo ging es ins Hotel Vadian zum Zimmerbezug.
Hans Fässler, unser Stadtführer, erwartete uns am Vadian Denkmal, um uns auf die Spuren von Rassismus und Antisemitismus aufmerksam zu machen. Da kam noch manch einer ins Staunen. Vor allem der Antisemitismus war ziemlich heftig. Gewisse Häuser zeigen noch Spuren von diesen Themen.
Am Samstag ging es nach dem Frühstück in die Synagoge, wo wir ausserordentlich herzlich empfangen wurden. Herr Rabbiner Shlomo Tikochinski erklärte uns jede Handlung des Gottesdienstes, damit alle wussten, um was es ging. Auch mit den jüdischen Gemeindemitgliedern kamen wir bei einem grossen Kiddusch in Kontakt. Dieser war nicht weniger herzlich.
Am Nachmittag wartete Herrn Klaus Stahlberger bei der Tourist Information auf uns, um uns auf einen zweiten, kleineren Rundgang, unter anderem das Kloster und die Stiftbibliothek zu zeigen.
L.G.
Der reformierte Pfarrer Klaus Stahlberger, als unser Guide am Samstag, weihte uns in die Schätze und Geheimnisse der Kathedrale und der Stiftbibliothek ein.
So erfuhren wir, dass die Kathedrale seit 1847 die offizielle Kathedrale des Bistums St. Gallen ist und seit 1983 wie auch die Stiftbibliothek zum Unesco-Welterbe zählt.
Die wunderbare Deckenfreske in der Rotunde wurde von Joseph Wannemacher gestaltet.
Die Kirche wurde in den Jahren 1961 bis 1967 restauriert, und die Hauptorgel wurde 1968 von der Firma Orgelbau Kuhn konzipiert und gebaut. Die gesamthaft drei Orgeln ermöglichen musikalischen Hochgenuss, wie es uns am Sonntagmorgen zu erleben gegönnt war.
Die Stiftbibliothek wurde 719 gegründet und der Bücherbestand blieb seitdem einigermassen intakt. Die Bibliothek zählt ca. 2’100 Handschriften sowie ca. 170’000 Bücher und andere Medien, die von Interessierten konsultiert werden können. Dass es sich so verhält, ist nicht zuletzt dem Reformator, Humanisten und Bürgermeister der Stadt Joachim von Watt (1481 bis 1551), genannt Vadian, zuzuschreiben, der sich des Wertes der Bibliothek bewusst war.
Ein seit ca. 1820 dauernder Gast in der Bibliothek ist die ägyptische Priestertochter Schepenese, deren Mumie zuerst als Leihgabe nach St. Gallen gelangte und im Jahr 1836 gekauft wurde. Trotz einem im Jahr 2022 entbrannten Streit zwischen Befürwortern und Gegnern ihrer Rückgabe an Ägypten darf sie nun auf unbestimmte Zeit in der wunderbaren Bibliothek mitten in wertvollen Zeugnissen menschlicher Denkschätzen weiterhin ruhen.
Eine andere «Attraktion» der Bibliothek ist ein Globus aus der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts, der auf derselben Kugel Erde und Himmel darstellt. Eine Rechnung aus dem Jahr 1595 beweist die Rechtmässigkeit dessen Erwerbs durch einen St. Gallischen Abt. Aber auch dieser Globus wurde Anlass eines heftigen Streits: Im 2. Villmerger Krieg bemächtigten sich Zürcher und Berner Truppen des Globus und brachten ihn nach Zürich.
Zwischen den Jahren 1990 bis 2006 tobte ein Kulturgüterstreit: Der wertvolle Globus sollte nach St. Gallen zurück. Eine Intervention des damaligen Bundesrates Couchepin setzte dem Streit ein Ende: Die Stadt Zürich sollte auf eigener Rechnung eine Kopie des Globus erstellen lassen und diese den St. Gallern schenken. Diese Kopie, die anders als das Original im besseren Zustand ist, und bedient, gedreht und gekippt werden kann, so dass sie als wissenschaftliches Instrument benutzt werden kann, steht nun in der St. Gallischen Stiftbibliothek. Das Original steht im Zürcher Landesmuseum.
Die Ausführungen von Herrn Stahlberger ermöglichten uns Einblicke in Höhen und Tiefen menschlichen Geistes. Er teilte auch seine Bewunderung für die in St. Gallen beherbergten Kunstschätze mit uns.
Am Sonntagmorgen Gottesdienst in der Domkirche
Während ein Teil der Gruppe sich tapfer, im Regen, zum Neuen Jüdischen Friedhof begab, besuchten die anderen den 10.30 Uhr Gottesdienst in der Domkirche, sei es aus Bequemlichkeit wegen dem Regen, oder wegen dem Glauben oder wegen dem musikalischen Genuss, den unser Guide vom Vortag, Klaus Stahlberger, in Aussicht gestellt hatte. Wie auch immer, der Gottesdienst war gut besucht, die Predigt ermutigte zu mehr Freiheit, zu mehr Aufrichtigkeit im Umgang mit Mitmenschen. Und tatsächlich sorgten der Chor und der Organist für einen musikalischen Genuss. Die Musik des 1901 verstorbenen Komponisten, Organisten, Musikpädagogen Josef Rheinberger war für die meisten der Anwesenden eine beglückende Entdeckung.
Zur Mittagszeit konnten sich beide Gruppen zum Mittagessen treffen, oder sich individuell nach einer Verpflegungsmöglichkeit umschauen, bevor die Rückreise angetreten wurde.
Für das leibliche Wohl wurde in St Gallen gut gesorgt. Der Vers aus 5. Mose 8, 9 könnte wohl St Gallen beschreiben: «Ein Land [hier ein Ort], in dem du dich nicht kümmerlich nähren musst, in dem es dir an nichts mangeln wird.»
So durften wir mal exotisch speisen im orientalischen Restaurant Sahara, wo Wein aus Libanon angeboten wurde, mal in einem geschichtsträchtigen Lokal wie das Lagerhaus, wo Fisch und Fleisch auf dem Buchenholzgrill gegart werden, mal traditionell einen Imbiss zu uns nehmen in der Konditorei Beck-Beck oder ganz trendig einen ausgezeichneten Salat oder eine Suppe in einem veganen Lokal geniessen.
Es war ein für Leib und Seele geglücktes Wochenende.
E.M.-B.
Ich bin sicher, dass alle Teilnehmer auf eine schöne und in jeder Beziehung abwechslungsreiche Reise zurück blicken werden.
L.G.
Bericht: Leo Gideon und Eliane Moesch-Benry
Fotos: Bernhard Lindner