Pünktlich um 11 Uhr am Sonntag, 11. Juli 2010, trafen sich die Mitglieder der Christlich-Jüdischen Arbeitsgemeinschaft Aargau (CJA) am Bahnhof Tiengen zum Würstli-Bräteln mit den Nachbarn ennet der Grenze, dem Freundeskreis Jüdisches Leben in Tiengen.
Der Nachmittag wurde durch den Historiker Andreas Weiss eingeleitet, der uns mit einem literarischen Rundgang durch die ursprünglich jüdischen Gassen des Städtchens führte. An ausgewählten Plätzen las er uns aus «Jacob Picards Werken» vor. Jacob Picard verbrachte die Schulferien oft bei seinen Grosseltern in Tiengen; seine lustigen, aber zum Teil auch nachdenklich stimmenden Episoden hielt Andreas Weiss in prägnanten Aufsätzen fest.¹
Die Kaffeepause vor dem zweiten Informationsteil benutzte man dankbar für eine kühle Erfrischung. Der nachfolgende Spaziergang, vorbei an der ehemaligen Synagoge, der ältesten jüdischen Druckerei, dem rituellen Tauchbad und dem Schulhaus wurde mit Erinnerungen von Manfred Emmerich lebendig illustriert. Der Stadtführer (ein pensionierter Lehrer) erzählte aus seinem Fundus persönlicher Erinnerungen und Erlebnisse, von Tiengener Persönlichkeiten und wie es war, damals, als der jüdische Anteil im Ort 35% ausmachte. Viele Parallelen zu den Surbtaler Judendörfern wurden offenkundig: hier wie dort waren die Blochs, die Guggenheims und die Bernheims vor allem Viehhändler, die mit der christlichen Bevölkerung zusammen lebte und arbeitete.
Der Nachmittag verging im Flug, und wer noch nicht genug Kultur getankt hatte, durfte mit Franz Söffge das jüdische Zimmer (im örtlichen Museum) und den jüdischen Friedhof besuchen. Letzterer war während dem Zweiten Weltkrieg total zerstört worden, nur noch ein Mahnmal aus alten Grabsteinen erinnert an das «Beth Olam» – hebräisch übersetzt: an das Haus der Ewigkeit, wie der jüdische Friedhof heisst.
¹ Manfred Bosch, «Jacob Picard, Werke», Gesammelte Erzählungen aus dem alemannischen Landjudentum und der Emigration, erschienen im Libelle-Verlag, Lengwil a/Bodensee, ISBN 978-3-909081-48-6